Dem Spiel von Aske Christiansen wird häufig vorgeworfen, dass die Flammen-Strategie dominiere, dass also regelmäßig gewinne, wer sich darauf fokussiert, diese zu löschen. Tatsächlich gewinnt der Feuerlöscher, sofern die anderen ihn gewähren lassen.
Wie bitte? Den Anfang der Rangliste macht ein 30 Jahre altes Spiel? Und das obwohl Sticheln der Jury für das Spiel des Jahres keine Erwähnung wert war und es beim Deutschen Spielepreis nur für Platz 8 reichte? Hält man sich noch vor Augen, dass die Zahl der Neu-Erscheinungen 1993 deutlich geringer war als heute, dann hat Sticheln wahrlich nicht sonderlich gut abgeschnitten. Andererseits: Welches Kartenspiel hat das schon?
Nach einem Wimmelbild-Krimi 2021 und einer Plättchenlege-Tüftelei 2022, bei denen es beide Male keinen nennenswerten Unterschied macht, wieviele und ob überhaupt jemand mitspielt, wurde 2023 jetzt die Kombi daraus Spiel des Jahres: Wir legen nun gem(einsam) Plättchen zu einem Landschaftswimmelbild aus.
Der Platzbedarf, die Aufmachung, der Spielfluss, die Zugänglichkeit, das ganze Spiel ist ausladend. Man braucht einen riesigen Tisch für ein Spielbrett, das lediglich eine Kartenablage darstellt, wobei enorm viele Zwischenräume gelassen wurden. Die Gestaltung des Spielmaterials ist eigentlich angenehm schlicht, doch leider sind die wichtigen Kartentexte dennoch unangenehm klein. Ständig werden die Karten rumgereicht, damit jeder noch mal genau lesen kann, doch eine Runde später hat man die Hälfte wieder vergessen. Dabei müsste man die Eigenschaften von einem guten Dutzend Karten in die Zugplanung einbeziehen.
Andrew Carnegie also, der Philantrop, dem seine Angestellten und ihr Leben nicht viel bedeutete, wird hier als Namenspatron mit dem expliziten Hinweis gewählt, dass man seine negativen Seiten außen vor lassen wolle. Das ist recht brav und genau so brav ist das Spiel dann auch geworden.
Irgendwo in der weiten Prärie ziehen wir mit vier Rindern los, durchstreifen den Wilden Westen, machen hier und da halt, um so manches missliebige Vieh zu verkaufen und vielversprechenden Ersatz dafür zu kaufen, um neue Gebäude zu errichten, unseren Absatzmarkt zu erweitern und so Manches mehr, vor allem aber um Kansas mit einem lukrativen Portfolio an Tieren zu erreichen und dort für möglichst viel Geld loszuschlagen.
Carcassonne ist nicht die Mutter aller Legespiele, denn das ist zweifelsohne Domino, ganz sicher ist es jedoch die Mutter des Legespielbooms. In einer kaum mehr überschaubaren Menge an Spielen werden heute Plättchen nach bestimmten Regeln aneinander gelegt und dafür Punkte kassiert. Seitdem geht es nicht mehr so dröge zu wie vormals bei Domino. Ganz nebenbei regte Carcassonne noch zu einer neuen Bezeichnung für Spielfiguren an: Meeple, ein Kofferwort zusammengesetzt aus My people.
Zug um Zug ist kein verkopftes, verbissenes Spiel. Es geht locker von der Hand und bedient die Freude, die viele dabei verspüren, etwas Planen und Aufbauen zu dürfen. Das Thema Eisenbahnbau in Amerika tut dazu sein Übriges. Spannung kommt dadurch auf, dass andere die eigenen Pläne durchkreuzen, wenn man zu spät eine wichtige Teilstrecke baut. Dazu gehört ein wenig Geschick beim Kartensammeln. So weit ist das Spiel auch mit Kindern reizvoll. Der einzige Haken ist, dass schlussendlich das Glück beim Nachziehen der Auftragskarten über Sieg oder Niederlage entscheidet, wozu eine gewisse Rücksichtslosigkeit gehört, schlimmstenfalls Minuspunkte einzufahren, die jüngeren Kindern in der Regel abgeht. Trotzdem ist das teilweise verzweifelte Fertigstellen von Strecken gegen alle gegnerischen Unbilden immer wieder fesselnd und gleichzeitig von beschwingter Lockerheit, was Alan R. Moon 2004 die Auszeichnung zum Spiel des Jahres eintrug.
Daniele Tascini und Simone Luciani schicken uns Auf den Spuren von Marco Polo quer durch Asien. Wir reisen durch Wüsten, Gebirge oder übers Meer immer in Richtung Peking. Dabei errichten wir so viele Handelskontore wie möglich und erfüllen verschiedenste Aufträge, um so am Ende den meisten Ruhm in Form von Punkten zu erlangen.
Der Karton ist viel zu groß und viel zu leer, die simple Mechanik beinahe unnötig in eine globige elektronische Kiste gestopft, das Spiel aber immer wieder fesselnd. Der magische Ring, der das Königreich vor dem bösen Zauberer schützt, wurde gestohlen und nur die Kinder können es retten. Denn nur sie können mit den Tieren sprechen, die wissen, wer den Ring geklaut hat. Von den Tieren aber bekommt nur Hinweise, wer sie mit den richtigen Leckereien füttert. Die Kinder also hasten durch das Schloss, um Tiernahrung und Hinweise zusammen zu suchen, wobei ihnen das Schlossgespenst regelmäßig in die Quere kommt. Das verlangt von den Kindern ein wohlüberlegtes Vorgehen, ohne dass bei Misserfolg echter Frust aufkäme. Dafür ist das Spiel einfach zu spannend. Mit Wer war’s? ist es dem unglaublich produktiven Autor Reiner Knizia gelungen, ein kooperatives Spielerlebnis für Grundschüler zu schaffen, das durch seinen Wettlauf gegen die Zeit in seinen Bann zieht, was ihm 2008 den Preis Kinderspiel des Jahres einbrachte. Obwohl die elektronische Kiste die immer gleichen Sätze spricht, kommt Atmosphäre auf, manches geht gar in den familiären Sprachgebrauch über: „Ich bin die Fee, ich werde dir helfen!“
Wem das Spiel zu teuer oder zu voluminös ist, bekommt mit dem gleichnamigen Mitbringspiel, eine sehr preisgünstige Reduzierung aufs Grundprinzip. Das versprüht weniger Atmospähre, dafür bekommt man die geniale Mechanik von Knizia unverüllt zu Gesicht.