Manchen ist das Spiel des Jahres 2020 zu wenig innovativ und zu schnell durchgespielt. Tatsächlich befanden sich in der ersten Auflage etwas wenig Bilder. Das wurde behoben und jetzt muss man schon sehr oft spielen, bis sich Konstellationen wiederholen. Innovativer wird ein Spiel durch eine neue Auflage aber freilich nicht. Muss es das überhaupt?
Bewertung: Empfehlung!
Natürlich gab es schon vorher Ratespiele: mit Wörtern (Just One), mit Buchstaben (Krazy Wordz), mit Zeichnungen (A Fake Artist Goes to New York), mit Erzählungen (Dixit). Es gibt sogar eines mit Baumaterialien (Wat’n dat). Was Pictures ausmacht, ist es, auf Fotos mit vorgegebenem Material Bezug zu nehmen. Diese Kombination entfaltet den originären Reiz des Spiels, weil es Kreativität auf kinderfreundlichem Niveau so fordert, dass auch Erwachsene ihre liebe Not und keinerlei Vorteil haben. Selten bringt man Kinder in Zeiten allgegenwärtiger Computerspiele leichter dazu angeregt, ihren Einfallsreichtum aufzubieten.
Pictures bietet keine große Innovation, dafür eine gelungene Iteration. In der heutigen Spielelandschaft darin einen Makel zu sehen, wirkt etwas übereifrig. Denn wo ist die große Innovationskraft all der neuen Lege-, Arbeitereinsatz- und Deckbuildingspiele, die da jedes Jahr den Markt schwemmen? Und wo sind all die lautstarken Kritiker, die ihnen ihre Ideenlosigkeit vorwerfen?
Zur Nomination für das Spiel des Jahres haben es neben Pictures noch zwei weitere Vertreter der dosierten Innovation geschafft, wobei dort die Schelte ausblieb. Da ist zum Einen ein Spiel, das die Mechanismen des wunderbaren Flickenteppichlegespiels Patchwork und des aufgemotzten Puzzlespiels Habitats kombiniert hat: Nova Luna. Und zum anderen ist da noch ein Legespiel, bei dem es darum geht, möglichst viele Plättchen auf die Fläche zu legen, was witzigerweise ebenfalls wieder sehr an besagtes Fleckenteppichspiel erinnert: My City. Achja, nicht vergessen werden darf hier die Kombination mit dem auch nicht mehr ganz so frischen Legacy-Mechanismus, der sich auf ein paar Aufkleber beschränkt.
Ganz offensichtlich ist es schwieriger geworden, wirklich neuartige Konzepte in die Spielewelt einzuführen, wie etwa auch ein Blick in die Liste des Deutschen Spiele Preises verrät: Da tauchen gleich zwei Titel schon im Namen mit einer Version „II“ auf, ein weiteres ist dem Namen nach eine Variante eines Vorgängers und von Platz 1 (Die Crew) abgesehen, können auch die anderen nicht die ganz große Innovationskraft für sich reklamieren.
Das alles sollte man den Spielen nicht vorwerfen, spiegelt die Situation doch lediglich wieder, welch enorme Entwicklung die Branche in den letzten Jahren genommen hat. Warum also auf Pictures rumhacken? Das Spiel tut, was es soll: Es handelt sich um ein zugängliches und unterhaltsames Familienspiel. Es ist deutlich interaktiver und lustiger als die anderen Nominierten und es hat gegenüber den Kommunikationsspielen, mit denen es verglichen wird, den großen Vorteil, dass kleinere Kinder keine Nachteile haben, nur weil ihnen mangels Erfahrung weniger Assoziationen zur Verfügung stehen oder sie schlicht das Wort nicht kennen. Durch die verschiedenen Bastelsets ist in Pictures außerdem noch willkommene Abwechslung geboten. Als Familienspiel macht es jedenfalls eine gute Figur.