Willkommen zur Einführung in die Welt des Monsterkloppens für Fortgeschrittene. Bei Gloomhaven – Die Pranken des Löwen geht es äußerst kompliziert zu. Wohlgemerkt kompliziert, nicht komplex! Da gibt es haufenweise verschiedene Karten mit jeweils unterschiedlichen Effekten, allerlei Faktoren senken oder heben die Kampf- und Abwehrkräfte, und reichlich Dinge müssen beachtet werden, um die Helden regelkonform durch die düstere Welt des Dungeons zu bugsieren. Schlussendlich bleibt es aber beim kooperativen Monsterkloppen.
Bewertung: Naja!
Geschichte: nachgeschobenes Tutorial
Das ursprüngliche Gloomhaven, das Original sozusagen, erschien schon 2017 und erhielt 2020 unter dem Zusatz Die Pranken des Löwen eine Ergänzung, die vor allem eine Einführung bietet. Das Original ist mit seinen zehn Kilo Gewicht nicht nur physisch richtig schwer, sondern auch vom Regelwerk her. Die Einarbeitung bedarf vieler Stunden und da kommt es sehr gelegen, wenn sie spielerisch geschieht: Genau das bietet der neue Ableger. Neben fünf Szenarien, die der Erkundung der Regeln dienen und für die man jeweils über zwei Stunden einplanen sollte, gibt es immerhin noch zwanzig weitere Szenarien oben drauf.
Mechanik: kompliziertes Monsterkloppen
Der Fokus des Spiels liegt auf dem kooperativen Niedermetzeln diverser Monster verschiedenster Art und Stärke. Alles was man tut, dient entsprechend dazu, die eigene Kampfkraft zu erhöhen und die des Gegners zu senken. Das geschieht in erster Linie durch den geschickten Einsatz des eigenen Kartendecks, das je nach gewähltem Charakter anders ausfällt. Ein weiteres Kartendeck bringt als Würfelersatz eine gewisse Unsicherheit, sodass man gerne jede Gelegenheit nutzt, um auch dieses zu verbessern. Außerdem kann man sich noch für gesammeltes Geld und Erfahrung zusätzliche Verbesserungen beschaffen. So gerüstet, steigt man in den Dungeon und stellt sich den Horden an Monstern, wobei der Sieg nur möglich ist, wenn die Helden gut abgestimmt vorgehen.
Interaktion: jein
Ein gut abgestimmtes Vorgehen ist wichtig und doch läuft das Spiel weniger interaktiv ab, als man vermuten würde. Laut Regel darf man nicht darüber sprechen, was genau man jeweils vor hat und so fällt die Abstimmung eher rudimentär aus. Sind die Einsatzkarten dann gewählt, zieht jeder seinen Zug durch. Das kann zwar die Charaktere der Mitspieler durchaus betreffen, aber letztlich wird die Vorgabe der Karte abgearbeitet. Die Interaktion besteht also im Abstimmungsbedarf, bleibt aber an der Oberfläche, weil man sich nicht über Details der Aktionskarten austauschen soll. Dafür entsteht nicht das Problem so manch anderer kooperativer Spiele, in denen gerne mal jemand die Chefrolle übernimmt.
Glück: Karten als Würfelersatz
Um Erfolg zu haben, muss man sich zusammentun – zumindest, so weit das erlaubt und möglich ist. Die Monster sind zahlreich und durchaus kampfstark. Trotz dem hohen Anspruch an ein koordiniertes Vorgehen, spielt das Glück keine geringe Rolle. Auch wenn keine Würfel, sondern Kartenstapel zum Einsatz kommen, so kann man doch nicht wissen, welche Überraschung die nächste Karte bringt. So manches Mal missglückt ein Angriff. Außerdem agieren die Monster einigermaßen unberechenbar, weil auch ihre Bewegungen und Kampfstärken durch Karten modifiziert werden. Gloomhaven mag aufgrund seiner Mechanismen das Eurogame unter den Dungeon-Crawlern sein, bleibt aber dennoch ein gutes Stück unkalkulierbar.
Aufmachung: düster
Das Spiel umfasst zahlreiche Karten von denen manche nur einmal zum Einsatz kommen. Es gibt zahlreiche Pappaufsteller für all die Monster. Zusätzlich braucht man eine Unmenge verschiedenster Marker um diesen Vorteil oder jenen Nachteil und auch sonst so einiges anzuzeigen. Schließlich ist da noch das Szenarienbuch, dessen Doppelseiten als Spielfeld dienen und stimmungsvoll illustriert sind – auch wenn sie erwartungsgemäß ziemlich düster ausfallen. Bei den vier Helden handelt es sich um verspielte Miniaturen aus Plastik.
Komplexität: nicht komplex, eher kompliziert
Gloomhaven ist so kompliziert, dass das Tutorial 5 Szenarien braucht, um alle Regeln zu erklären. Da jedes davon zwei Stunden oder mehr dauert, muss man dafür also schon geraume Zeit investieren, die dank der Einstiegs-Szenarien aber mit Leben gefüllt wurde. Komplex ist das Spiel nicht, wenn man darunter versteht, dass verschiedene Mechanismen eng verwoben sind und man sich genau überlegen muss, wie man sie sich zu Nutze macht. Bei Gloomhaven geht es stets darum, die Monster zu erledigen, wobei das Zufügen der Schadenspunkte durch verschiedenste Nebeneffekte verkompliziert wird, schlussendlich aber doch dem Hau-Drauf-Prinzip folgt. Schwierig stellt sich also die Schadensermittlung bei der Austragung der Kämpfe dar und bedarf entsprechenden Verwaltungsaufwands.
Thematik: Dungeon
Wie es sich für ein Dungeon gehört, wühlt man sich durch die finstere Unterwelt. Dabei wurde bei keinem Szenario vergessen zu erwähnen, dass es äußerst unangenehm riecht. Überhaupt versucht Gloomhaven viel morbide Abenteuerstimmung zu transportieren, was aber durch das komplizierte Kampfsystem zuweilen gegenüber kleiner mathematischer Übungen unterzugehen droht.
Spieldauer: 3 Stunden und mehr
Durch das Szenariobuch wurde die Aufbauzeit gegenüber dem großen Gloomhaven erheblich reduziert. Trotzdem kann so eine Schlacht schon mal drei Stunden oder mehr in Anspruch nehmen.
Spielerzahl: 1-4
Das Spiel funktioniert mit unterschiedlicher Anzahl Spielern. Seinen ganzen Charm entfaltet es aber erst, wenn man über eine stabile Spielgruppe verfügt, sodass wirklich das Gefühl eines langen gemeinsamen Abenteuers entstehen kann.
Spielalter: ab 12 Jahren
Der Verlag empfiehlt das Spiel ab 14 Jahren. Für jüngere ist das Spiel auch nicht selbständig zu erarbeiten und selbst in diesem Alter dürfte das noch nicht leicht fallen. Mitspielen können spielbegeisterte Kinder auch schon ab 12, wenn sie über das Tutorial langsam an die Regeln herangeführt werden.
Spielgefühl: und ewig währt die Klopperei
Bei allem Aufwand, den der Autor für die Einbettung des Geschehens betrieben hat, bleibt das Spiel doch eine einzige Klopperei. Man kann das als ausgeschmückt empfinden oder aber auch als aufgebauscht.
Autor: Isaac Childres
Isaac Childres ist promovierter Physiker und stürmte gleich mit seinem zweiten Spiel die Rangliste von BoardGameGeek. Seit 2017 sammelt das große Gloomhaven hervorragende Bewertungen, was vielleicht auch daran liegt, dass viele, die mit Dungeon-Crawlern nichts anfangen können, sich erst gar nicht darauf einlassen und deshalb keine Bewertung abgeben. Freunde des Genres finden hier eine großartig ausgetüftelte Materialschlacht, andere dürfte das eher abschrecken.
Preis: viel Inhalt für gut 50 Euro
Der Karton ist randvoll. Für gut 50 Euro bekommt man beim Feuerland-Verlag mit Gloomhaven – Die Pranken des Löwen eine beachtliche Menge Inhalt.
Erweiterungen: das Tutorial als Erweiterung
Die Pranken des Löwen werden vom Verlag auch als Erweiterung zu Gloomhaven geführt, tatsächlich handelt es sich aber ganz offensichtlich um ein Tutorial, das die Einstiegshürde für diejenigen senken soll, die sich an den schweren Brocken nicht ranwagen.
Vergleich: nicht gerade elegant
Gloomhaven – Die Pranken des Löwen bietet langwieriges Monsterkloppen mit stimmungsvoller Aufmachung und großer Detailtiefe. Genre-typisch, aber nicht unbedingt elegant. Wer es einfach, flott und witzig mag, greift zu King of Tokyo. Wer sich für Stunden in die Welt eines Dungeons vertiefen und so lange ganz dieser Welt entfliehen will, spielt Gloomhaven.
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